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Schadenversicherung 
Mittwoch, 16.06.2021

Darlegungs- und Beweislast für Vollkaskoschaden bei einem Reifenplatzer

Der Fall:

Der Kläger machte nach einem Fahrzeugschaden Ansprüche aus einer Kfz-Vollkaskoversicherung gegen die Beklagte geltend. Versicherungsschutz bestand auf der Grundlage üblicher Versicherungsbedingungen (AKB) der Beklagten u.a. bei Beschädigung, Zerstörung, Verlust oder Totalschaden des Fahrzeuges einschließlich seiner mitversicherten Teile durch einen Unfall. Der Kläger war mit seinem Fahrzeug, das zu diesem Zeitpunkt mit Winterreifen ausgerüstet war, auf einer Autobahn unterwegs. Während der Fahrt auf der Autobahn platzte plötzlich der linke Hinterreifen mit einem lauten Knall. Das Fahrzeug geriet ins Schleudern. Es gelang dem Kläger, den Pkw auf dem Standstreifen zum Stehen zu bringen.

Beim Platzen des linken Hinterreifens hatte sich die linke Seitenwand des Reifens vollständig gelöst. Die gelösten Reifenteile beschädigten den Radkasten hinten links, die linke Seitenwand und den hinteren Stoßfänger. Der von der Beklagten beauftragte Schadengutachter stellte einen Totalschaden fest.

Laut Aussage des Sachverständigen konnte die Ursache für den Reifenschaden nicht ohne Weiteres festgestellt werden. Eine genaue Analyse könne nur durch einen speziellen Reifensachverständigen erfolgen. Der Kläger trug vor, die Winterräder seien am selben Tag kurz vor Fahrtantritt in einer Fachwerkstatt montiert worden. Die Winterreifen seien völlig in Ordnung gewesen. Daher stehe fest, dass nur das Überfahren eines für den Kläger nicht erkennbaren Fremdkörpers auf der Straße das Platzen des Reifens verursacht haben könne.

Die Beklagte bestritt, dass ein in den Reifen eingedrungener Fremdkörper das Platzen des Reifens verursacht habe. Vielmehr sei davon auszugehen, dass der Reifen schon vor der Fahrt beschädigt gewesen sei. Ein Fahrzeugschaden, der durch einen geplatzten Reifen verursacht werde, sei kein Unfall im Sinne der Versicherungsbedingungen, wenn das Ereignis nicht durch einen in den Reifen eingedrungenen Fremdkörper, sondern durch einen schon vorher bestehenden Reifenschaden ausgelöst worden sei.

Die Entscheidung:

Der Kläger hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Nach der durchgeführten Beweisaufnahme stand fest, dass der Reifen am Fahrzeug des Klägers nicht durch das Eindringen eines Fremdkörpers geplatzt war, sondern aufgrund eines vorher durch einen Montagefehler entstandenen Reifenschadens. Daher lagen die Voraussetzungen für einen Vollkasko-Versicherungsschutz nicht vor.

Entscheidend kam es auf den Begriff des Unfalles an: Wenn ein Reifen während der Fahrt durch einen eingedrungenen Fremdkörper platzt, handelt es sich um ein von außen mit mechanischer Gewalt auf das Fahrzeug einwirkendes Ereignis. Dabei kann dahinstehen, ob der Fremdkörper (ein spitzer Stein oder beispielsweise ein Nagel) auf der Fahrbahn liegt und vom Fahrzeug überfahren wird, oder ob sich schon vorher ein Fremdkörper im Reifen befindet, der während der Fahrt tiefer in den Reifen eindringt, sodass erst dadurch ein plötzlicher Druckverlust - oder ein Reifenplatzen - erfolgt. In jedem Fall handelt es sich um eine Einwirkung von außen, die unmittelbar und plötzlich mit mechanischer Gewalt auf das Fahrzeug einwirkt.

Hingegen liegt kein versichertes Unfallereignis vor, wenn ein schon vor Fahrtantritt bestehender Reifenschaden die alleinige Ursache dafür ist, dass der Reifen bei einer normalen Fahrt auf der Autobahn plötzlich platzt. Denn in einem solchen Fall beruht der Schaden nicht auf einem Ereignis, welches unmittelbar von außen mit mechanischer Gewalt auf das Fahrzeug einwirkt, sondern allein auf einer "inneren" Ursache durch ein schadhaftes Fahrzeugteil.

Bei einem eingedrungenen Fremdkörper liegt ein Unfall im Sinne der Vollkasko-Versicherungsbedingungen vor, während das Platzen eines Reifens während der Fahrt allein aus "inneren" Gründen (schon vorher bestehender Reifenschaden, fehlerhafte Montage oder fehlerhafter Luftdruck) kein Unfall ist, für den Vollkasko-Versicherungsschutz besteht. Dabei obliegt die Beweislast für die Voraussetzungen eines Unfalles dem Versicherungsnehmer. Nach der durchgeführten Beweisaufnahme stand fest, dass der Reifen am Fahrzeug des Klägers nicht durch einen eingedrungenen Fremdkörper zerstört worden war. Vielmehr hatte eine vorausgegangene fehlerhafte Montage das Material des Reifens beschädigt. Dies war die Ursache für das Platzen des Reifens.

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